DICHTE- UND STRUKTURMESSUNG HELFEN DEM OPERATEUR
Die spektrale Bildgebung nutzt den Effekt, dass Schwächung und Absorption von Röntgenstrahlen nicht nur vom untersuchten Gewebe, sondern auch von der eingesetzten Energie abhängig sind. Sie sorgt damit für zusätzliche diagnostische Informationen. Die Hersteller setzen dabei auf unterschiedliche Technologien: Ein Produzent etwa bietet ein Gerät mit zwei Röhren an, wobei eine davon das niedrigenergetische Bild, die andere das hochenergetische Bild liefert; ein anderer Hersteller arbeitet mit einer Röhre, die extrem schnell zwischen einem hohen und einem niedrigen Energiespektrum hin- und herwechselt. Andere wiederum haben eine detektorseitige Lösung gefunden, zum Beispiel einen Detektor mit zwei Schichten übereinander, die jeweils unterschiedliche Energiespektren abdecken. In allen Fällen können aus den gewonnenen Informationen im Nachhinein sogenannte virtuell monoenergetische Bilder oder auch rechnerisch miteinander verschmolzene Energiebilder berechnet werden.
Die Spektral-CT bietet daher die Möglichkeit, auf einen einzelnen Bereich des Energiespektrums zu fokussieren. So bringt zum Beispiel die Messung der niederenergetischen Anteile des Röntgenstrahls alleine einen Nutzen, wenn dazu jodhaltige Röntgenkontrastmittelverwendet werden. Aufgrund seiner speziellen Atomstruktur erscheint Jod im Zusammenspiel mit dem Röntgenstrahl auf dem Bild besonders hell. „Damit kann ich den Kontrast ganz locker auf das Doppelte oder Dreifache eines herkömmlichen Bildes verstärken“, erläutert Kauczor. Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Dichte des Gewebes, sondern auch quantitativ der Jod-Gehalt einer Struktur messen. Dies ist von großer Bedeutung für die Darstellung von Gefäßen im Vorfeld eines chirurgischen Eingriffes – neben der Vaskularisation die zweite wichtige onkologische Fragestellung, für die sich die Spektral-CT anbietet. So sieht der Operateur vorab kleine Gefäße deutlich besser, insbesondere auch wenn die Kontrastmittelgabe nicht so gut geklappt hat.
SPECTRAL-CT FÜR IMMER MEHR EINSATZGEBIETE
Nicht nur in der Onkologie, sondern auch bei anderen Fragestellungen bringe die Spektral-CT große Vorteile, um etwa die Zusammensetzung von Gallen- und Nierensteinen zu beurteilen oder bei der Gichtdiagnostik, wie Kauczor unterstreicht: „In unserer Klinik in Heidelberg haben wir eine Vielzahl von Indikationen festgelegt, bei denen von vorneherein gleich die Spektral-Informationen gewonnen werden.“
Die Spektral-CT erlaubt auch eine effektive Dosisreduktion. Bekanntlich kann bei Lungengewebe die Strahlendosis deutlich niedriger angesetzt werden als etwa beim Abdomen eines Übergewichtigen, das viel Fett enthält, oder beim Becken mit seinen massiven knöchernen Strukturen. „Am Ende des Tages wird die Dosis mit den neuen Technologien weiter reduziert“, betont Kauczor und fügt mit einer gewissen Erleichterung hinzu, dass das leidige Dosis-Thema ohnehin zunehmend an Bedeutung verliere: „Die Gefahr die von einer Strahlenexposition ausgeht, wird durch die neuen Systeme immer kleiner. Wenn bei einer anfangs 55-Jährigen jährlich für 20 Jahre eine Lungenkrebsfrüherkennung mittels Niedrigdosis-CT durchgeführt wird, so ist die Dosis mittlerweile so niedrig, dass die Teilnehmerin einen eventuellen strahleninduzierten Tumor sicher nicht mehr erleben wird.“
PROFIL
Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor studierte Ende der 1980er Jahre in Bonn und Heidelberg Medizin und arbeitete danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Radiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), die er viele Jahre später – von 2003 bis 2007 – leiten sollte. An der Kölner Universität erwarb er seinen Doktor und habilitierte sich an der Universität Mainz. Seit 2003 ist er Professor für Radiologie an der Universität Heidelberg, an der er 2008 die Ärztliche Leitung der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie übernahm. Für seine radiologischen Forschungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, z.B. im Jahr 2000 mit dem Holthusen-Ring der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG). Seit 2018 ist er Vertreter des Partnerstandortes Heidelberg in Vorstand des Deutschen Zentrums für Lungenforschung.